Demenz und gutes Hören
Eine Hörsystemversorgung ist auch bei Demenz möglich und sinnvoll
(EUHA/ Mainz, 24.03.2016) Aktuelle Studien befassen sich mit dem Thema Hörminderung und Kognition. Die Ergebnisse zeigen: Hörsysteme sorgen dafür, dass Menschen am sozialen Leben teilhaben und sich der Abbau der kognitiven Fähigkeiten genauso verhält wie bei Normalhörenden. Bei Menschen mit einem unversorgten Hörverlust erfolgt der kognitive Abbau bis zu 40 Prozent schneller als bei der Vergleichsgruppe ohne Hörverlust bzw. bei Hörsystemträgern.
Was aber bislang kaum Beachtung fand: wie sich eine Hörsystemversorgung von Menschen mit einer beginnenden Demenz ganz konkret gestalten kann. Für Akustiker ist die Versorgung eine Herausforderung, die sich lohnt, weil der Demente dadurch mehr Lebensqualität hat, besser hört und Sicherheit gewinnt. Der Akutgeriater Dr. Michael Lerch dazu: „In den nächsten zehn Jahren werden wir beim derzeitigen Stand der Forschung mit hoher Wahrscheinlichkeit kein Mittel haben, eine Demenz aufzuhalten oder gar rückgängig zu machen. Daher stellt, vor dem Hintergrund der sich negativ beeinflussenden Co-Morbidität zwischen Demenz und Schwerhörigkeit, eine frühzeitige beidseitige Behandlung mit Hörsystemen die beste anti-dementive Therapie dar.“ Für Akustiker eine weitere Chance, Menschen mit Wahrnehmungsdefiziten aktiv zu helfen.
Teufelskreis Hörverlust und Demenz
Das Gehirn verlernt durch einen schleichenden Hörverlust, Wörter und Töne richtig zuzuordnen, der Mensch wird unsicher, zieht sich zurück und trainiert sein Gehirn dadurch weniger. Gleichzeitig nimmt er die Welt als bedrohlich und unübersichtlich wahr, seine räumliche Orientierung lässt nach, und das kann zu einem unsicheren Gangbild führen. Auch die Tatsache, dass mit Schwerhörigen oft lauter gesprochen wird als mit anderen, kann bei Dementen das Gefühl hervorrufen: „Da will mir jemand etwas Böses.“ Körperkontakt, ein freundliches Lächeln, Ruhe und Wertschätzung können Situationen entschärfen, in denen sich Menschen mit Demenz unsicher fühlen. Es gibt spezielle Kommunikationsstrategien (die sogenannte Validation/integrative Validation), mit der Demente weniger auf der geistigen Ebene als vielmehr auf wertschätzend-emotionaler Ebene erreicht werden. Menschen, die Kontakt mit Dementen haben, können mit diesen ganzheitlich-empathischen Methoden eine neue Beziehungsebene finden.
Frühzeitige Versorgung
Bei einer beginnenden Demenz sind die Aussichten gut, mit regelmäßigem Training Neues anzunehmen. In dieser Phase ist eine Hörsystemanpassung ideal. Je früher eine Hörsystemversorgung begonnen wird, desto schneller und angenehmer gewöhnt sich der Träger daran. Martin Blecker, Präsident der Europäischen Union der Hörgeräteakustiker e. V., dazu: „Wenn eine Demenzdiagnostik gemacht wird, muss auch immer der Hörsinn mit bedacht werden. Idealerweise sollten alle Menschen ihren Hörstatus kennen. Ab 60 Jahren wird empfohlen, einmal im Jahr einen Hörtest beim Akustiker zu machen und die auditiven Leistungen mit geeigneten Hörtests überprüfen zu lassen.“
Wie kann eine Hörsystemversorgung bei Dementen gelingen?
Tipps für den Akustiker:
Körpersprache
- Akustiker sollten ihre Mimik und Gestik sehr bewusst einsetzen.
- Ein freundliches Gesicht kann positive Emotionen hervorrufen, es erinnert an die existentielle Erfahrung der Mutter, die ihr Kind anlächelt.
- Bewusster Augenkontakt, abwarten, Zeit lassen und schauen, ob eine Reaktion kommt.
Umgebung
- barrierefrei, ohne Stolpermöglichkeiten
- ruhige Atmosphäre zum Wohlfühlen
Sprache
- kurze, klare Sätze
- wertschätzende Kommunikation
- mit optischen Hilfen arbeiten, da Demente oft noch lesen können
Körperkontakt
- Nähe kann Vertrauen schaffen (die Hand nehmen, dezent am Arm streicheln etc.)
Quellen:
Lin et al.: Hearing Loss and Cognitive Decline in Older Adults (JAMA Intern Med. 2013 Feb 25;173(4):293-9); Lin et al: Hearing Loss and Incident Dementia (Arch Neurol. 2011 Feb 68(2); 214-20)
Amieva et al. (2015) Self-Reported Hearing Loss, Hearing Aids and Cognitive Decline in Elderly Adults: A 25-year Study. Published in: The American Geriatrics Society
Dr. med. Michael Lerch und Mechthild Decker-Maruska: Fallgrube Kommunikationsstörung. Oder: Was Schwerhörigkeit und Demenz gemeinsam haben. In: Schnecke 71, März 2011
www.apotheken-umschau.de/Alzheimer/Validation-Mit-Demenzkranken-richtig-sprechen-125901.html
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